Sozialistische
Tageszeitung • Montag, 4. Mai 2009
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Wirtschaft/Soziales
04.05.2009
Schutzschirm fürs Handwerk
Links-Konferenz zur Zukunft kleiner und mittlerer Unternehmen
Von Christoph Nitz
Rettungsschirme haben Konjunktur – doch in erster Linie fänden nur Konzerne und
Großbanken Platz unter denselben, so die Kritik linker Unternehmer und
Freiberufler beim ersten europäischen Mittelstandskongress von OWUS und der
Rosa-Luxemburg-Stiftung am Wochenende in Berlin. In einer Resolution wird ein
»Schutzschirm für das Handwerk« gefordert.
Der Fokus der Politik richte sich auch in der Krise vorrangig auf Konzerne,
kritisierte Diether Dehm. Der Bundestagsabgeordnete der LINKEN ist
Vorstandvorsitzender des Unternehmerverbandes OWUS. Kleine und mittlere
Unternehmen (KMU) hätten keine »wirksame Lobby«, diese Lücke wolle seine
Organisation schließen. »Linke Unternehmer bekommen bei den Unternehmern
Prügel, weil sie links sind, und bei den LINKEN, weil sie Unternehmer sind«,
beschrieb Dehm die »Exotenrolle« der bei OWUS Engagierten. Seit 1994 mühe sich
der Verband, diese Lobbyarbeit für KMU zu leisten, daran erinnerte Mitgründerin
Christa Luft. Inzwischen würden die Interessen von Handwerkern und
Kleinbetrieben bei der LINKEN ernst genommen, nach den kommenden Wahlen müssten
Abgeordnete als »Anlaufstellen« für Unternehmer wirken.
Das Gründungsmotto »Aus wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung«
gelte in Zeiten der Krise besonders, denn es sei nicht nur eine
Wirtschaftskrise, sondern eine »Zivilisationskrise«, so der EU-Abgeordnete Helmuth
Markov. Kleine Unternehmen profitierten nicht von liberalisierten EU-Märkten
nicht, sie litten im Gegenteil stark unter Lohndumping und der Tendenz, die
Grundfreiheiten des Kapitals über die Grundrechte der Menschen zu stellen.
Besonders Urteile des Europäischen Gerichtshofs beschleunigten die weitere
Absenkung der Mindeststandards zu Ungunsten kleiner Unternehmer und
behindertenso sozialstaatliche Bestrebungen einzelner Mitgliedsstaaten.
Mehr als 120 Teilnehmer debattierten über Perspektiven »sozialen
Unternehmertums in Europa« und nutzten die Chance, neue Kontakte zu knüpfen. In
Podien und kleinen Arbeitsgruppen machten sich die Konferenzteilnehmer auf die
Suche nach Handlungsmöglichkeiten und Strategien für KMU in der Krise und
präsentierten praxiserprobte, alternative Unternehmens- und
Wirtschaftsstrukturen. Besonders die derzeit zu beobachtende Wiederbelebung von
Genossenschaften könne sich als vielversprechender Weg »modernen und
nichtkapitalistischen Wirtschaftens« erweisen, so Diether Dehm.
Die Krise sei bei den kleinen Unternehmen angekommen, so die Einschätzung der
Teilnehmer. In ihrer Resolution fordern sie eine Stärkung der Kaufkraft gerade
bei Beziehern geringer Einkommen. Eine »echte Offensive« solle dem
Reparaturhandwerk helfen, denn Reparaturen würden nicht nur regionale
Beschäftigung sichern, sondern auch Müll und unnötige LKW-Fahrten vermeiden.
Soziale Verantwortung verlangt man von der EU-Kommission und von nationalen
Regierungen.
Lothar Bisky, Vorsitzender der deutschen wie der europäischen Linkspartei und
Spitzenkandidat bei den Wahlen zum EU-Parlament am 7. Juni, warb für seine
Partei: Der »unbegrenzte Kapitalismus« müsse wieder Grenzen bekommen, »was
inzwischen auch einige Kapitalisten so sehen«. 20 Millionen kleine Unternehmen in
der EU – 99,5 Prozent aller Betriebe – hätten andere Interessen als die
Konzerne, so Bisky, gerade kleine Unternehmen brauchten Schutz vor Lohndumping,
um am Markt bestehen zu können. Bisky regte eine Fortsetzung des Dialogs mit
Unternehmern an, dem mancher auch den »Reiz ungewohnter Allianzen« attestierte.
Linke Unternehmer fänden sich auch in Bayern, freute sich Joachim Gabriel aus
München und hoffte auf weiteren Zuwachs »sozial verantwortlich Denkender«.
Insgesamt gehören dem »Offenen Wirtschaftsverband von kleinen und
mittelständischen Unternehmen, Freiberuflern und Selbstständigen« – so der
volle Name von OWUS – mehr als 250 Mitglieder bundesweit an. Auch das ZDF war
angereist, um einen Blick auf die »roten Bosse« zu werfen.
Informationen:
www.owus.de Ausdrucken Leserbrief schreiben
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Ein Wochenende lang debattierten linke Unternehmer.
Foto: Bernd Mewes